"Parodieren heißt n i c h t: verspotten!
Jeder, der die nachstehenden Seiten liest, möge sich das bitte recht deutlich klarmachen.
Die Parodie ist der Versuch, sich in die Schreibart eines anderen hineinzufühlen, sie nachzuahmen. Dabei ist es selbstverständlich gestattet, Charakteristisches zu übertreiben und wohl auch, bei günstiger Gelegenheit, einen kleinen, freundschaftlich gemeinten Seitenhieb einzuflechten. Aber der nackte S p o t t hat in der Parodie, so wie ich sie auffasse, keinen Platz.
Um der gelegentlichen Seitenhiebe willen habe ich mich darauf beschränkt, nur lebende und nur deutsche Schriftsteller zu parodieren. Damt sie, falls sie es für nötig halten, sich wehren können. Ich hoffe aber, daß sie es nicht für nötig halten. Denn ich habe grundsätzlich nur solche Dichter parodiert, die ich aus irgendeinem Grunde l i e b e. Dichter zu parodieren, die ich nicht mag, habe ich mir versagt. Natürlich wäre es Unfug, diesen Satz umzukehren und zu schließen: ich haßte alle Dichter, die ich nicht parodierte. O, liebe Freunde, es gibt eine stattliche Zahl von mir hoch verehrter deutscher Dichter, die sich nicht parodieren lassen, oder richtiger: die ich nicht parodieren kann. Ich nenne, nur als Beispiele: von Münchhausen, Kolbenheyer, Strauß, Dörfler, Grimm, Waggerl, Zillich, Böhme, Ina Seidel und Agnes Wiegel... Ebenso habe ich darauf verzichtet, Hedwig Courts-Mahler zu parodieren. Ich meine, daß man die Siebzigjährige in Frieden lassen soll. (Und wenn überhaupt, so sollte man mal ihre Leser aufs Korn nehmen. Das gäbe Überraschungen!)
Einige Parodien habe ich in kleinem Kreise in Hamburg vorgelesen. Zweimal waren die Objekte, die Parodierten also, dabei. Hans Leip hat, als er die "Paddelanweisung für eine Lady" über sich ergehen lassen mußte, herzerfrischend gelacht, und Wolfgang Frank versprach mir sogar, er wolle sich grundlegend ändern, damit ich neuen Stoff hätte. Das ist nun freilich nicht nötig. Ich erzähle das nur, weil ich bei dieser Gelegenheit den herzlichen Wunsch aussprechen will, es möchten die übrigen parodierten Autoren nicht minder heiter reagieren. Sie mögen das Parodiertwerden als eine Begleiterscheinung der Berühmtheit in Kauf nehmen.
Im übrigen weiß ich gut, daß ein Parodienbuch nur eine Nebenarbeit, ein Spaß und eine Spielerei ist. Ich habe nicht den Ehrgeiz, künftig nur noch Parodien zu schreiben. Im Gegenteil, ich verspreche, es hiermit genug sein zu lassen; ich will eigene Arbeiten fertigstellen, damit später Parodisten Gelegenheit haben, mich zu parodieren. Worauf ich mich heute schon freue.
Wilhelm Hammond-Norden"
Hier also jetzt die Parodie:
"Der Dichter in der Klemme
Ein Nachspiel nach Curt Goetz
Personen: Paulus, ein Dichter, Paula, sein Weib, ein sonderbarer Herr.
Szene: Paulus' Schreibzimmer
Paulus ist soeben mit seiner Frau von der Premiére seines neuesten Stückes heimgekehrt. Ermattet sinkt er am Schreibtisch nieder. Seine Frau sitzt auf dem Schreibtisch.
Paulus: Ich gebe zu, daß es dekorativ wirkt, wenn eine mollig durchwachsene Frau den Schreibtisch eines Autors ziert. Aber wenn ich ärgerlich bin, mag ich keine Frauen auf Schreibtischen.
Paula (sächselt unmotiviert): Nanu, du bist ärgerlich? Das Schtück war doch ä so scheener Erfolch.
Paulus: Um Gottes willen, Paula, warum sächselst du?
Paula: Die meisten Frauen in deinen Stücken sächseln. Ich dachte, du liebst das...
Paulus: Ich doch nicht. Das Publikum
Paula: Aber warum bist du ärgerlich?
Paulus: Im zweiten Akt hat ein Aphorismus gefehlt. Und nun, n a c h der Premiére, fällt er mir ein. Höre: das Leben gleicht in seiner Vielfalt einer Zeitung. Und wie die Liebe ist das Feuilleton.
Paula: Sehr schön. Nur verstehen tu ich's nicht. Das Feuilleton ist doch das, was unterm Strich steht. und wieso ist die Liebe...
(Plötzlich steht, niemand weiß, wie er hereinkam, der sonderbare H e r r im Zimmer.)
Paulus: Wer sind Sie?
Herr: Ein fremder Herr.
Paulus: Offenbar. Was noch?
Herr: Der Liebhaber Ihrer Frau Gemahlin.
Paula: Er lügt. Ich kenn meine Liebhaber alle. Dieser war nie darunter. Der ist mir überhaupt viel zu unheimlich ist mir der. Ich liebe nicht die Unheimlichen. Meine Freundin Violetta liebt die Unheimlichen. Die findet die Liebe überhaupt am schönsten, wenn's sie gruselt dabei.
Paulus (unterbricht ihrer Rede Fluß, sich an den Herrn wendend): Was wünschen Sie? Zigarette? Ohrfeige?
Herr: Wir kommen der Sache näher. Ohrfeige bitte. Ich komme von der Presse.
Paulus: Zum Teufel, wer sind Sie?
Herr: Erraten, mein Herr. Ich bin der Teufel, wenn Sie nichts dagegen haben. Satanas Beelzebub oder der Widerpart Gottes.
Paula (hat Bedenken): Du, der schneidet nur auf. Der ist gar nicht der Teufel.
Herr: (macht die aus der Hexenküche bekannte unanständige Gebärde und murmelt die Zauberformel): Hokuspokus, Menagerie, Nonne, Hiob und Lampenschirm. (Darauf entsteht ein Feuerschein.) Sie gestatten: mein Gewerbeschein. Der sogenannte kleine Befähigungsnachweis.
Paulus: Was wünschen Sie also?
Herr: Was die Presse wünscht? Ein Interview.
Paulus: Für die Höllischen Nachrichten?
Herr: Ich bitte Sie - für dies schäbige Konkurrenzblatt. Ich vertrete die Nachtausgabe der Unterwelt.
Paulus: Auch nicht übel. Also fragen Sie!
Herr: Nach welchem Rezept arbeiten Sie Ihre Stücke?
Paulus: Alte Motive plus geschliffener Dialog plus heiße Liebe plus ein gehöriger Schuß Gruseln. Das wirkt immer.
Herr: Danke. Sodann: Ist es Ihre Absicht, die Menschen mit Ihren Stücken zu schlechtern oder zu bessern? Manchmal denkt man nämlich: Ha - wie unmoralisch! Ein rechter Fraß für die Hölle. Doch zum Schluß kommt immer ein moralischer Dreh. Mit welcher Absicht?
Paulus: Ich dichte nicht mit Absichten, sondern weil ein ausgewachsener Mensch eine Beschäftigung haben muß...
Herr: Die Hölle ersucht Sie, in Zukunft die Moral fortzulassen.
Paulus: Die Hölle kann mich.
Herr: Vorsicht, die Hölle ist heiiß.
Paulus: Aber weit weg.
Herr: Nicht so weit wie der Himmel.
Paulus: Sie sollen recht haben. Ja - und wenn ich nun auf Ihren Vorschlag eingehe - was bietet die Hölle?
Herr: 500 Jahre dürfen Sie den Kessel heizen, in dem Ihre Kollegen geschmort werden.
Paulus: Donnerwetter. Ein Angebot, das sich hören läßt. Hast Du gehört, Paula? 500 Jahre. Auch die, die sich nur für Dichter halten?
Herr: Gerade die!
Paulus: Allright. Abgemacht.
Herr: Top! Blut ist ein ganz...
Paulus: Lassen Sie man. Sitzt der Herr Geheimrat auch im Kessel?
Herr: Qui vivra, verra. Hokuspokus Towarisch
(Feuerschein. Herr ab)
Paula: Paulus, was hast Du nun gemacht?
Paulus: Ich habe den Teufel überlistet...
Paula: Aber du must nun unmoralisch schreiben. Das darf man doch nicht, damit verdirbt man die Menschheit.
Paulus: Der Teufel wird Augen machen: Jawohl, ich schreibe unmoralisch. Damit habe ich meinen Vertrag erfüllt - und die Regisseure, was willst Du wetten, streichen es wieder weg, das Unmoralische. Wer also ist geschädigt? Niemand. Und ich darf sie alle schmoren, Paula, reich mir mal den Kürschner!
(Das geschieht und Paulus blättert erregt, wobei langsam der Vorhang fällt)"
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